Løten 1863 - 1944 Oslo
1896
Mezzotinto und Kaltnadel auf Arches-Bütten mit Wasserzeichen
28,8x21,8 cm, Plattenkante; 42,1x31 cm, Blattgrösse
Unten rechts vom Künstler in Bleistift signiert "Edv. Munch", darunter bezeichnet "Zink-koloriert"
Gerd Woll, Edvard Munch, The Complete Graphic Works, Oslo 2012,
Slg. Heinrich Stinnes (1867-1932), Köln, mit dem Sammlerstempel Lugt 4436, versteigert bei
Auktion C.G. Boerner, Leipzig, (Sammlung Dr. Heinrich Stinnes), 10.-11. November 1932, Los 231, dort erworben von
Slg. Arnold Budczies, Berlin, rückseitig mit dem Sammlerstempel
Frankfurt am Main 1952, Städelsches Kunstinstitut, Edvard Munch, Graphik,
Bremen 1970, Kunsthalle, Edvard Munch, Druckgraphik, Auswahl aus einer bremischen Privatsammlung,
Hamburg 2006, Kunsthalle, Edvard Munch, "... aus dem modernen Seelenleben",
Ingelheim 2022, Internationale Tage, Edvard Munch, Meisterblätter,
Mit leichtem Lichtrand und vereinzelten kleinen Stockflecken. Die Rückseite im Papier minim gebräunt. Sehr schöner Druck mit ansprechender Farbgebung. Die Darstellung in besonders schöner Erhaltung
Edvard Munchs Aufenthalt in Paris im Jahr 1896 fiel in eine Phase intensiver druckgraphischer Experimente. In der französischen Hauptstadt begegnete Munch einer avantgardistischen Kunstszene, die seine Bildsprache nachhaltig beeinflusste. Gleichzeitig hatte er dort Zugang zu modernsten Druckwerkstätten. Drucker wie Auguste Clot oder Alfred Porcabœuf vermittelten ihm neue druckgraphische Möglichkeiten.
So entstanden etwa im Atelier Alfred Salmon, das damals von Alfred Porcabœuf geleitet wurde, acht Schabkunstblätter (Mezzotinten). Dieses Druckverfahren gilt als eines der aufwändigsten überhaupt: Zunächst werden die Zinkplatten mit Aquatinta vorbereitet und anschliessend mit dem Wiegemesser so lange bearbeitet, bis sich ein dichtes, gleichmässiges Raster bildet. Dieses erzeugt im Druck eine flächig-samtene Struktur mit weichen Übergängen. Die Schabkunst wurde bereits im 17. Jahrhundert entwickelt, vor allem zur Wiedergabe einer malerischen Wirkung.
Genau dieser malerische Aspekt der Druckgraphik wird Munch fasziniert haben. Er nutzte die Qualitäten des Druckes gezielt, um Atmosphäre und emotionale Dichte zu erzeugen. Dabei schuf er jeweils nur wenige Exemplare mit von Druck zu Druck abweichender Farbgebung. Die Abzüge waren aller Wahrscheinlichkeit nach Eigendrucke bzw. von ihm selbst eingefärbte Platten. Blätter in Mezzotinto gehören zu Munchs seltensten und begehrtesten Graphiken überhaupt.
Das Mezzotinto-Blatt "Junge Frau am Strand" aus dem Jahr 1896 ist ein bemerkenswertes Beispiel für Munchs Fähigkeit, existenzielle Themen durch schlichte, aber eindrucksvolle Bildkompositionen auszudrücken. Eine junge Frau steht allein auf einem weitläufigen Strand. Ihre Figur hebt sich deutlich vom Hintergrund ab und wirkt wie eine Lichtgestalt. Das Bild symbolisiert Sehnsucht und Einsamkeit. Vielleicht geht es um die Suche nach Nähe, nach Erfüllung oder einfach nach einem Platz im Leben.
In "Junge Frau am Strand" gelang es Munch, eine fast traumhafte Szenerie zu schaffen. Die Konturen sind weich, beinahe verschwommen, und doch hat die Gestalt eine Präsenz, die sich tief im Gedächtnis einprägt. Die Frau steht jenseits klarer Zuschreibungen.
Das Thema der einsamen Frau zieht sich durch Munchs Werk. Er setzt sich mit der Rolle der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft sowie ihrer Projektion in männlichen Phantasien auseinander: als Geliebte, Muse, Bedrohung, Mutter oder gar Heilige. Die emotionale Mehrdeutigkeit ist typisch für seine symbolistische Phase. Statt konkreter Geschichten gibt er psychischen Zuständen eine Form. So wird die Frau am Strand zum Sinnbild des modernen Menschen, der allein mit sich selbst und der Welt ist und nach Orientierung sucht. Das Meer, das in vielen seiner Werke als Symbol für das Unbewusste oder den Übergang erscheint, wird zum metaphysischen Raum am oberen Rand der Figur, vgl. auch Lose 931 und 932. "Junge Frau am Strand" ist das bekannteste seiner Schabkunstblätter und auch deshalb so bedeutend, weil der Künstler jeden Abzug in einer komplett anderen Farbigkeit und mit einer leicht variierenden Komposition umsetzte. Gerd Woll nennt insgesamt zwölf Abzüge in sieben Zuständen, von dunklen Tönen bis hin zu einer leichten Farbigkeit. Das vorliegende Blatt im letzten, komplexesten VII. Zustand. Dieser Druckzustand verblüfft durch eine besonders ausgewogene Farbkomposition und kann als eines der schönsten Blätter der gesamten Reihe bezeichnet werden.
| Schweiz | CHF | 150 |
| Europa | CHF | 250 |
| USA | CHF | 320 |
| Übersee | CHF | 325 |
