Doppelseite eines niederländischen Blockbuches
Um 1430
Holzschnitt, als Reiberdruck in hellbrauner Farbe abgezogen, mit zeitgenössischem Kolorit in Gelb, Rotbraun, zwei verschiedenen Grün, Schwarz, Rosa und verschiedenen Grautönen
27x39,1 cm, Darstellung und Blattgrösse
Heinrich Theodor Musper, Die Urausgaben der holländischen Apokalypse und Biblia pauperum. München 1961, pag. 15 und 16 (Band Facsimile) und pag. 50 (Textband)
Sauber in der Erhaltung, zeitgenössisch koloriert, mit Mittelfalte, oben und unten komplett, links und rechts minimal knapp. Auf Papier mit Wasserzeichen "Jagdhorn", ähnlich Briquet 7642, ein Papier, das Briquet vorwiegend im 14. Jahrhundert nachgewiesen hat, das aber in leicht veränderter Form auch im frühen 15. Jahrhundert vorkommt. Einzelne Wurmlöcher
Die vorliegende Doppelseite weist alle Merkmale einer frühen Ausgabe der "Biblia pauperum" auf und steht in ihrer künstlerischen Qualität der Zeichnung und in ihrer Schnittqualität weit über der Mehrzahl aller bekannten Exemplare. Die Feinheit des Schnittes ist ebenbürtig dem 1961 von Prof. H. Th. Musper als Urausgabe publizierten Exemplar der Bibliothèque Nationale in Paris, ehem. Slg. Papst Pius VI. (Papst 1775-1799), zusammengesetzt aus 2 Drucken: Smith-Lesouef Rés. 157 und Xylo 2. Die Franzosen nahmen den Papst 1798 gefangen, brachten ihn nach Valence und konfiszierten auch seine Bibliothek
Blockbücher (so genannt, weil sie aus einem Block Holz geschnitten wurden, Illustration und Text) entstanden frühestens ab 1410, spätestens 1440. Bekannt sind die "Biblia pauperum", die "Apokalypse" und die "Ars moriendi". Die "Biblia pauperum" diente wohl in erster Linie dem Unterricht des armen, niederen Klerus, der Klosterinsassen und auch Laien, Kreisen also, die sich meist keine kostspieligen Handschriften leisten konnten und für die diese durch Druck vervielfältigten "Armenbibeln" geschaffen wurden
Das Schema der Darstellungen folgt alter Tradition und den Manuskripten: Jeder Begebenheit aus dem Leben oder der Passion Christi sind zwei Parallelen aus dem alten Testament und ein Zeugnis aus den Propheten gegenübergestellt. Eine komplette "Biblia pauperum" umfasst 40 Seiten, wobei nach dem Druck der Doppelblätter ein Zusammenkleben der leeren Rückseiten nach dem Falzen die Buchform ergab. Ihren Ursprung haben die Blockbücher in Holland, vermutlich Haarlem. In Holland selbst und vor allem in Niederdeutschland entstanden danach noch um die Mitte des 15. Jahrhunderts eine Reihe späterer Ausgaben
Von grossem Interesse ist Muspers Wiederaufnahme der Legende der Erfindung der Buchdruckerkunst durch den Haarlemer Laurens Janszoon Coster, geboren 1405, gestorben 1482. Musper suggeriert die Möglichkeit, dass Coster die Druckwerkstätte schon von seinem Vater übernommen habe. Der zweifellos holländische Ursprung der Blockbücher und die sicher einige Wahrheit enthaltende Coster-Legende bringen Musper, nach der Prüfung verschiedener Indizien, den Schluss nahe, dass Coster der Drucker der frühen Blockbücher mit in den Holzstock geschnittenem Text sei, dass aber Johannes Gutenberg kurz nach 1450 der erste erfolgreiche Versuch mit gegossenen, beweglichen Lettern gelang, mit seinem ersten Hauptwerk, der um 1455 erschienenen, 42 Zeilen umfassenden "Biblia"
Drucke aus einer so frühen Ausgabe einer "Biblia pauperum" gehören eindeutig zu den frühesten Druckerzeugnissen des frühen 15. Jahrhunderts und stehen als wichtiger Markstein am Anfang der enormen geistigen und materiellen Entwicklung der Menschheit in die moderne Welt, ausgelöst durch die Drucktechnik und der daraus resultierenden Möglichkeiten der Verbreitung von Texten
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