Málaga 1881 - 1973 Mougins
4. Juli 1937
Kaltnadel
34,6x25 cm, Plattenkante; 50,8x32,5 cm, Blattgrösse
In der Platte oben links datiert und bezeichnet "4 juillet 37 (II)"
Baer 626/A (v. B)
Roger Lacourière, Paris
Privatsammlung, USA
Wunderschöner, gratiger Druck auf cremefarbenem, festem Velin mit Wasserzeichen "RIVE(ES)". Das Papier minimalst gebräunt, mit leichtem Lichtrand. In ausgezeichneter Gesamterhaltung
Dora Maar gehört zu den grossen Stilikonen des 20. Jahrhunderts. Ihre leidenschaftliche Beziehung zu Pablo Picasso, den sie 1936 kennenlernte, ist in viele bahnbrechende Kunstwerke des Künstlers eingeflossen. Die attraktive 28-jährige mit langem schwarzem Haar wurde zur bekanntesten Geliebten, Muse und Modell des Künstlers im gesamten Œuvre
Sie war selber war Fotografin und hat etwa die Entstehung von Picassos Monumentalbild über den Spanischen Bürgerkrieg, "Guernica", fotografisch dokumentiert
In der umfangreichen Druckgraphik Picassos gibt es ein paar ausserordentliche Blätter, genannt seien etwa die "Minotauromachie", die "Jeune fille d’après Cranach", "Le repas frugal" oder eben die Gruppe der "La femme qui pleure", der weinenden Frau
Die Serie der weinenden Frau entwickelt sich parallel zu Picassos Schaffen an "Guernica" und darüber hinaus bis in den Herbst 1937 hinein und wird zu einer kraftvollen Metapher für die Schrecken des Spanischen Bürgerkriegs und das damit verbundene, allgemeine Leid. Picasso nimmt das altbekannte, ikonographische Thema der "Mater Dolorosa" auf und setzt es in einem sehr zeitgenössischen, aktuellen Kontext um. Sein Modell ist Dora Maar, die selber unter der Dreiecksbeziehung des Künstlers mit ihr und seiner damaligen Partnerin und Mutter der gemeinsamen Tochter Maya, Marie-Thérèse Walter, leidet. So wird das eindrückliche Porträt einer weinenden Frau aus dem sehr persönlichen Umfeld des Künstlers unvermittelt in einen grösseren, geopolitischen Kontext getragen
Das Hauptblatt der vier in Tiefdruckverfahren hergestellten Serie ist "La femme qui pleure I" (Baer 623). Picasso beginnt die grossformatige Kupferplatte am 1. Juli 1937 zu bearbeiten. In der Folge entstehen 7 verschiedene Zustände. Am selben Tag arbeitet er auch auf einer zweiten, fast identisch grossen Platte an "La femme qui pleure II", von welcher sich aber nur einige Probedrucke erhalten haben (Baer 624) und die er schliesslich 1946 mit einem Porträt von Françoise Gilot komplett überarbeitet. Am 4. Juli schliesslich setzt er das Motiv der weinenden Frau auf zwei fast identisch grossen, aber deutlich kleineren Platten um. Bei der "La femme qui pleure III" (Baer 625) arbeitet er mit Kaltnadel und Aquatinta, bei "La femme qui pleure IV" (Baer 626) ausschliesslich mit Kaltnadel. Während bei der Variante I (Baer 623) die Zustände III und VI schliesslich in einer Auflage von je 15 Stück gedruckt werden, legt Picasso die kleineren Platten beiseite. Nachdem die Platten 1937 fertiggestellt wurden, lässt sie Picasso erst 1949 bei Lacourière vom Drucker Jacques Frélaut drucken. Der Künstler hat die meisten Abzüge mitgenommen, einzelne verblieben beim Drucker. Die Varianten III und IV der "La femme qui pleure" gehören damit zu den seltensten graphischen Arbeiten von Picasso überhaupt. Seit über 25 Jahren sind keine Exemplare mehr in Auktionen aufgetaucht. Von den 8 bzw. 9 bekannten Abzügen befinden sich praktisch alle in Privatbesitz, etliche wohl im Nachlass des Künstlers. Dass nun gleich beide der kleinformatigen Varianten angeboten werden können, ist eine Sensation
Die hier angebotene "La femme qui pleure IV" setzt der Künstler ebenfalls in eine gedruckte "Rahmung", dieses Mal ist der Hintergrund jedoch ebenfalls mit Kaltnadel geschaffen. Als einzige Variante der Serie "La femme qui pleure" schaut Dora Maar nach links. Die kräftige Arbeit in Kaltnadel wirkt unglaublich dynamisch, man spürt förmlich den bedrückenden Schmerz. Auch hier wischt sich die dargestellte Frau nicht bloss die Tränen mit dem Taschentuch ab, sie beisst ebenfalls darauf. In dieser Variante ist die Darstellung des Schmerzes und der grenzenlosen Traurigkeit vor allem auf die Augenpartie konzentriert
Es ist nie eine Auflage erschienen – im Zustand A (ohne abgerundete Plattenecken) sind 7 Abzüge bekannt, im Zustand B (mit gerundeten Plattenecken) 2 Abzüge, alle sind auf unterschiedliche Papiere gedruckt. Das vorliegende Exemplar wurde auf ein breitrandiges Velin mit Wasserzeichen "Arches" gedruckt. Das vorliegende Blatt wurde direkt bei Roger Lacourière angekauft und befindet sich heute in einer amerikanischen Sammlung. Die Kupferplatte wird heute im Musée Picasso aufbewahrt. Das Blatt gehört zu den seltensten Graphiken von Picasso überhaupt