Stampa 1868 - 1933 Glion
1924
Öl auf Leinwand
110x100 cm
Unten links vom Künstler monogrammiert "G./G.", rückseitig signiert, bezeichnet und datiert "Giovni Giacometti / Stampa / Bregaglia 1924"
Paul Müller/Viola Radlach, Giovanni Giacometti, Werkkatalog der Gemälde, Band II/2, Zürich 1997, Nr. 1924.30
Registro dei quadri, Heft 2, pag. 49,
Slg. W. Wolff, Villa La Rosée, Maloja
Slg. Wolff, Zürich
Privatsammlung Schweiz
Eduard Briner, Giovanni Giacometti, zum sechzigsten Geburtstag des Künstlers, in: Die Kunst in der Schweiz, Genf, November 1928, pag. 252 reprod.
Arnoldo Marcelliano Zendralli, Augusto Giacometti nell'occasione del 50 di sua vita / Giovanni Giacometti nell'occasione del 60 di sua vita, Lugano 1928, pag. 30 (dort betitelt "Paesaggio bregagliotto")
Arnoldo Marcelliano Zendralli, Giovanni Giacometti nell'occasione del suo sessantesimo, in: La Voce della Rezia, Bellinzona 1928
Arnoldo Marcelliano Zendralli, Giovanni Giacometti, in: Quaderni Grigioni Italiani, Bellinzona 1933, Jg. 3,
Neue Helvetische Gesellschaft und Auslandschweizer Kommission (Hrsg.), Unsere Schweizer Heimat, Ein Buch für Landsleute im Ausland, Zürich 1935, pag. 85 reprod. (dort betitelt "Val Bregaglia (Bergell) mit dem Geburtshaus des Künstlers")
Il Glogn 1938, Annada 12, Calender dil pievel, reprod. (dort betitelt "Contrada Bergagliotta")
Renato Stampa, Per il centenario della nascita di Giovanni Giacometti, in: Quaderni Grigioni Italiani, Poschiavo 1968, Jg. 37,
Elisabeth Esther Köhler, Giovanni Giacometti 1868-1933. Leben und Werk, mit Werkverzeichnis, Zürich 1969,
Bern 1925, Kunsthalle, Giovanni Giacometti, Fred Stauffer, V. Surbek, Eug. Zeller, C. Angst,
Chur 1925, Bündner Kunstverein, Villa Planta, Giovanni Giacometti,
Basel 1930, Kunsthalle, Giovanni Giacometti, Gedächtnisausstellung Paul Altherr,
Chur 1930, Bündner Kunstverein, Kunsthaus, Giovanni Giacometti,
Zürich 1934, Kunsthaus, Giovanni Giacometti 1868-1933,
Auf dem originalen Chassis, in der alten Nagelung. Im oberen Bildteil mittig mit alter, kleiner Reparatur der Leinwand, in der oberen rechten Ecke ist die Leinwand leicht gewellt. In sehr guter und farbfrischer Gesamterhaltung
Berglandschaften des Engadins und des Bergells nahmen in den 1920er Jahren zunehmend den Platz von Figurenbildern ein, da Giovanni Giacometti seine Kinder als Modelle immer mehr fehlten. Der Zürcher Maler Adolf Mohler durfte 1920 bei Giacometti in die Lehre gehen und diskutierte mit ihm unter anderem über künstlerische Fragen. Über die Landschaftsmalerei soll Giacometti Folgendes gesagt haben: "[...] die Landschaft bleibt immer mehr oder weniger eine Impression, ein Eindruck [...]." (aus Adolf Mohler, Aus Aufzeichnungen und Briefen eines Malers, Zürich 1965, pag. 23)
Karl und Anna Balsiger aus Solothurn waren Sammler von Werken Giovanni Giacomettis mit einem Ferienhaus in Silvaplana. Während den Ferien besuchten sie den Künstler in Maloja. 1922 malte er von den beiden Töchtern Anny und Dora das Doppelporträt "Die Schwestern" (Müller/Radlach 1922.07). In einem Brief von Giacometti an Karl Balsiger vom 30. Oktober 1924 erwähnt er vermutlich das vorliegende Werk: "[...] Aber das Bergell hat trotzdem von seinem Reiz auch nichts verloren. Besonders jetzt hat es hier ganz eigenartige Lichteffekte und die Landschaft ist sehr malerisch. Ich bin am Vollenden meines grossen Stampa-Bild. Das Wetter ist günstig [...]" (in: Giovanni Giacometti, Briefwechsel mit seinen Eltern, Freunden und Sammlern, Hrsg. Viola Radlach, Zürich 2003, Nr. 643)
Der Standort des Malers befindet sich auf dem Steilhang über der Strasse und dem Fluss Maira. Die Sicht aus dieser Höhe erlaubt Giacometti einen Überblick über den Talgrund des mittleren Bergells. Im Zentrum des Bildes ist das Dorf Stampa, der Wohnort des Künstlers, mit der Brücke über den Fluss Maira. Das kleine Dorf mit seinen behäbigen Steinhäusern, den dazugehörenden kleinen Ställen und den Obstgärten liegt am linken Flussufer. Das im Bild sehr dominant wirkende Haus mit einem kleinen Platz am Brückenkopf ist das "Haus an der Brücke", das Gasthaus "Piz Duan", in welchem sich nebst dem Hotel und dem Restaurant auch ein Laden, die Post sowie ein Telegraf befand. 1927 wurde dieses Haus teilweise vom Hochwasser weggespült. Es ist das Geburtshaus des Künstlers, wo er auch seine Kindheit verbrachte. Von diesem Gebäude ein wenig verdeckt erkennt man dahinter auf der gegenüberliegenden Strassenseite ein Haus, in welchem Giovanni Giacometti ab 1906 zusammen mit seiner Frau Annetta und ihren Kindern wohnte. Das Atelier des Künstlers, in dem er ab 1906 arbeitete, befindet sich gleich anschliessend zum Wohnhaus auf der selben Strassenseite. Auf dem Platz vor dem "Haus an der Brücke", dem Dorfzentrum, steht eine Postkutsche bereit. Weiter unten an der Strasse entlang Richtung Promontogno befindet sich etwas durch die Bäume verdeckt die "Ciäsa Granda", die heute seit ihrer Restaurierung das Bergeller Talmuseum beherbergt. Im Hintergrund erkennt man das Dorf Borgonovo, der Geburtsort des 1901 geborenen Sohnes Alberto, mit der etwas ausserhalb des Dorfes gelegenen Kirche "San Giorgio" aus dem Jahre 1694. Auf dem Friedhof sind die meisten Familienmitglieder Giacometti begraben. So finden sich dort die Gräber von Giovanni und Annetta, Alberto, Diego und Bruno sowie Augusto. Weiter geht die Strasse nach oben links im Bild Richtung Malojapass, welcher ins Engadin führt. Im Hintergrund des Gemäldes sind die steilabfallenden Granitbergzüge der Bergeller Alpen zu sehen. Dieses Gemälde ist Giacomettis umfänglichste Darstellung der Bergeller Landschaft. Es ist nicht nur eine reine Landschaftsdarstellung, sondern ist auch im Bild sehr erzählerisch. So zeigt Giacometti die wartende Postkutsche auf dem Dorfplatz, einen mit seinem Pferdefuhrwerk auf der Strasse heimkehrenden Bauern, zwei Frauen, die diesem soeben auf der Strasse begegnet sind, eine Kuh, welche zur Strasse hinunter rennt, sowie einen Bauern mit einer Axt auf der Schulter, welcher einen kleinen Pfad links unten im Bild hinaufsteigt. Diese Kombination von Landschaft und Erzählung macht das aussergewöhnlich grosse Gemälde zu einem Hauptwerk im Œuvre von Giovanni Giacometti