Galerie Kornfeld 100 Jahre in Bern, 2020

5 Galerie Kornfeld 100 Jahre in Bern Geschichte der Galerie Kornfeld Stuttgart 1864–1919   • 1920–2020 in Bern Heinrich Georg Gutekunst (nomen est omen), 1833 als Sohn eines Kunstmalers in Stuttgart geboren, fühlte sich bereits in jugendlichem Alter zum Kunsthandel hinge- zogen. Seine erste Stelle brachte ihn zur damals führenden Kunsthandlung Goupil & Cie in Paris, deren Niederlassung in London er mit gerade mal 24 Jahren übernahm. Nach seiner Heirat mit einer Stuttgarterin kehrte er in seine Heimatstadt zurück und eröff- nete 1864 die Kunsthandlung «H.G. Gutekunst» an der Kanzleistrasse 36. Am 1. Okto- ber 1864 erschien der erste Lagerkatalog, er enthielt eine reiche Auswahl hoch interessanter Graphikblätter. Im Vorwort stand die auch heute immer wieder geäus­ serte Klage zu lesen: «Bei der jährlich zunehmenden Schwierigkeit, schöne Exemp- lare der Meisterwerke der altdeutschen, niederländischen und italienischen Schule überhaupt aufzutreiben, schmeichle ich mir mit der Hoffnung, dass dieser Catalog den geehrten Kunstliebhabern recht vieles Wünschenswerthe bieten werde und dass auch die schönen Blätter der neueren Epoche, die sich vorzüglich zum Zimmer- schmuck eignen, zahlreiche Liebhaber finden mögen». Die in rascher Folge publizierten weiteren Lagerkataloge belegen, dass sich der Erfolg rasch eingestellt haben muss, wohl dank der guten Kontakte mit Paris und London. Parallel zum Kunsthandel ist die legendär gewordene Verlegertätigkeit mit Reproduk- tionen von Graphik mit dem Titel «Perlen mittelalterlicher Kunst» besonders zu erwähnen. Angespornt durch Auktionen in Paris und London wagte H.G. Gutekunst im Jahre 1868 mit der «Auktion Nr. 1», der «Sammlung eines italienischen Kunst- freundes», den Schritt zur eigenen Auktionstätigkeit. Die Sammler honorierten das Wagnis. Bereits fünf Jahre später führten die beiden über 7200 Nummern umfas- senden Auktionen aus der Sammlung des Marchese Jacopo Durazzo zu einem ersten Höhepunkt. Die wirtschaftlichen Erfolge ermöglichten 1881 den Erwerb und den Umzug in das grosse Haus Olgastrasse 1b, das bis 1918 das Domizil der Firma blieb und sich noch heute in Besitz der Nachkommen von H.G. Gutekunst befindet. Jahr für Jahr vereinigte sich die Crème de la Crème der Graphik- und Handzeich- nungswelt an H.G. Gutekunsts Hufeisentisch. Bedeutende Sammlungen wie Keller, Durazzo, Hebich, Weigel, Angiolini, Straeter, Habich, Cornill d’Orville, Teile Waldburg- Wolfegg, Novak, Artaria, Grisebach, Perry, Rumpf, Lanna und Theobald, um nur die wichtigsten davon zu nennen, gingen durch die Hände von H.G. Gutekunst. Nach über 50 Jahren erfolgreicher Tätigkeit zog sich der Doyen 1910 zurück und setzte als Nachfolger Wilhelm A. Gaiser ein, seinen langjährigen Mitarbeiter. Dieser führte das Haus bis zu seinem tragischen Tod bei einem Verkehrsunfall 1915 weiter. Die Kriegswirren machten die Geschäfte schwierig, und 1919 erfolgte die Liquidation der Kunsthandlung H.G. Gutekunst, verbunden mit der Übernahme des Archivs und des restlichen Lagers durch den Sohn Richard Gutekunst. Dieser war mit einem

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