Auktion 289 : Graphik Alte Meister 12.9.2025

3050 Meister ES tätig am Oberrhein von um 1450 bis 1467, wahrscheinlich 1468 gestorben Die Verkündigung – The Annunciation Um 1450. Kupferstich auf Bütten. 15,2×11,4 cm, Blattgrösse (bei Lehrs 11,3 cm). Tadel- los in der Erhaltung, oben und rechts mit voll sichtbarer Plattenkante. Kleines Wurm- loch in der Brust des Engels. In tiefschwarzer, prägnanter Druckqualität. Schätzung CHF 150000* Werkverzeichnisse Nicht bei Bartsch Passavant 3 Lehrs, II, Nr. 12 (dieses Blatt erwähnt) Provenienz Herzogliches Museum zu Gotha, bis 1948 noch im Museum Privatsammlung Deutschland, bis 1953 Slg. Eberhard W. Kornfeld, Bern Slg. Richard H. Zinser (1884–1984), Forest Hills, NY, Lugt 5581 Nachlass Richard H. Zinser, bis 1991 Slg. Eberhard W. Kornfeld, Bern, Lugt 913b Ausstellungen Minneapolis/Cleveland/Chicago 1956/1957, Institute of Arts/Museum of Art/Art Institute, Prints 1400–1800, A Loan Exhibition fromMuseums and Private Collections, Kat. Nr. 13, Tf. 4 (dieses Exemplar) Das Blatt befand sich ehemals in der Sammlung des HerzoglichenMuseums in Gotha (jetzt Friedenstein Stiftung Gotha). Ein Grossteil des dortigen enzyklopädischen Graphikbestandes, darunter auch nicht weniger als neun Blätter des Meister ES, wurde während der Zwischenkriegsjahre in zahlreichen Auktionen bei C.G. Boerner in Leipzig veräussert. Darüber hinaus kames in denWirren der Nachkriegsjahre wohl ab 1948 auf Weisung der kommissarisch eingesetzten Museumsleitung zu weiteren Verkäufen, nun jedoch über den Kunsthändler Kurt Müller, Inhaber der Firma Colussi &Co. in Erfurt. Viele der Druckgraphiken wurden vonMüller auf Auktionen in unserem Berner Haus weiterveräussert. Das hier angebotene Blatt erwarb Eberhard Kornfeld jedoch privat vonMüller (vgl. dazu auch demnächst den Aufsatz von Armin Kunz, «Die graphische Sammlung als Restbestand. Die Druckgraphik-Verkäufe aus Gothaer Beständen im 20. Jahrhundert.», in: Das illustrierte Flugblatt im 16. Jahrhundert. Pro- testantische Profilbildung amBeispiel der Gothaer Sammlung, hrsg. v. Ulrike Eydinger, Christopher Spehr und Kathrin Paasch, Göttingen 2025). Angesichts der komplexen historischen Situation gaben diese Nachkriegsverkäufe immer wieder Anlass zu Diskussionen, Besitz- oder Restitutionsansprüche bestehen jedoch keine mehr. Obwohl in den allerfeinsten Strichlagen und vor allem in den Gesichtern der Figuren bereits auslassend, ist der Druck kräftig und von tiefschwarzer Prägnanz. Besonders und ungewöhnlich ist auch, insbesondere für einen derart frühen Kupferstich, dass der Abdruck durchweg einen zarten Plattenton aufweist. Lehrs zählt dieses Blatt zu den «allerfrühsten Arbeiten des Meisters» und fährt fort, dass wahrscheinlich gerade «die grosse Anmut der Typen […] von dieser ältesten der sechs Verkündigungen mehr Abdrücke als von den anderen vor der Vernichtung bewahrt [hat].» Der Meister, der nach dem auf einigen Blättern zu findenden Monogramm «ES» benannt ist und dem Lehrs insgesamt 340 Werke zuschreibt, war um die Jahr­ hundertmitte im Oberrheingebiet tätig. Die letzte Datierung stammt von 1467, was gemeinhin als Endpunkt seines Schaffens angenommen wird. Der Meister ES brachte den frühen Kupferstich auf eine neue Qualitätsstufe, die wiederumdie Grundlage für die Generation Israhel van Meckenems und Martin Schongauers bildete. EberhardW. Kornfeld schrieb dazu: «Das kleine Blättchen ist nicht nur technisch eine erste Meisterleistung auf dem Gebiet der Graphik des 15. Jahrhunderts. Es ist nicht additiv wie so viele Darstellungen aus dieser Zeit, die Figuren sind reizvoll in einen Innenraumkomponiert, von gotischen Architekturelementen eingerahmt. Nach ersten Anfängen des Kupferstichs kaum zwei Jahrzehnte zuvor liegt bereits eine gestalte- rische und technische Spitzenleistung vor. Die Madonna strahlt voller Anmut, ein Manuskript in der Hand. Der verkündende Engel ist sich seiner Importanz bewusst, entsprechend ist sein Gesichtsausdruck geschaffen. Das Blatt ist ein Spiegel der tief religiösen Einstellung dieser Zeitspanne, es steht mit anderenWerken amAnfang der Fülle von Meisterleistungen von 1445 bis heute, es ist mein ’most favorite print’.».

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