Auktion 288 : Edvard Munch - Meister der Druckgrafik 11.09.2025
821 Edvard Munch Løten 1863–1944 Oslo Der Kuss II – The Kiss II 1897. Farbholzschnitt auf Kupferdruckpapier. 60,9×46,4 cm, Druckstock; 66,1 ×48,8 cm, Blattgrösse. Unten rechts vom Künstler in Bleistift signiert «E Munch». Leichte Atelierspuren, oben drei kleine Reissnagellöcher. An der linken Blattkante sind ca. 6 mm Papier angesetzt. Mit mehreren kleinen hinter- legten Einrissen. Sauber hinterlegte Risse an der unteren rechten Ecke, oben links und oben rechts. Rückseitig leicht imPapier gebräunt undmit Resten alter Montierungen. Sehr schöne Druckqualität, in farbfrischer Erhaltung. Schätzung CHF 3000000* Werkverzeichnis Gerd Woll, Edvard Munch, The Complete Graphic Works, Oslo 2012, Nr. 115/II, eines der dort erwähnten und das dort abgebildete Exemplar. Provenienz Graphisches Kabinett, Berlin, dort 1916 erworben von Slg. Heinrich Stinnes (1867–1932), Köln, mit dem Sammlerstempel Lugt 4436 Aus dem Nachlass Stinnes von Carl Meder & Co, Berlin, 1933 vermittelt an Slg. Arnold Budczies, Berlin, rückseitig mit dem Sammlerstempel. Ausstellungen Frankfurt am Main 1952, Städelsches Kunstinstitut, Edvard Munch, Graphik, Kat. Nr. 49 Florenz 1964, Palazzo Strozzi, L’Espressionismo, pittura, scultura, architettura, Kat. Nr. 33 Bremen 1970, Kunsthalle, Edvard Munch, Druckgraphik, Auswahl aus einer bremischen Privatsammlung, Kat. Nr. 56 Hamburg 2006, Kunsthalle, Edvard Munch, «… aus dem modernen Seelen leben», Kat. Nr. 224 Riehen 2007, Fondation Beyeler, Edvard Munch, Zeichen der Moderne, Kat. Nr. 82 Ingelheim 2022, Internationale Tage, Edvard Munch, Meisterblätter, S. 41. Der Holzschnitt «Der Kuss II» aus dem Jahr 1897 ist eine Weiterentwicklung eines Motivs, das Edvard Munch zeitlebens beschäftigte (vgl. auch Los 868). Es geht um die intime Vereinigung von Mann und Frau, dargestellt als eksta tische, aber zugleich beunruhigende Verschmelzung zweier Wesen. Das vor- liegende Blatt verdichtet diese Thematik auf radikale Weise. Zwei Figuren stehen sich in einer Umarmung gegenüber, ihre Gesichter zu einem einzigen, konturlosen Schatten verschmolzen. Die individuelle Identität scheint sich aufzulösen in einem Akt der völligen Hingabe. Munch entwickelte seine Holzschnitt-Technikmit grosser Experimentierfreude ständig weiter. In «Der Kuss II» setzt er bewusst die Maserung des Holzes als gestalterisches Mittel ein. Die unglaublich dichte Farbigkeit unterstützt den emotionalen Gehalt. Warme Blau-, Grün-, Rot- und Brauntöne sowie dunkle Flächen erzeugen eine Atmosphäre zwischen Wärme, Intimität und existen- zieller Düsternis. Das Blatt gehört zum zyklischen Bildkomplex «Lebensfries», denMunch selbst als eine Art visuelles Gedicht über das Leben verstand. Es vereint Themen wie Liebe, Angst, Eifersucht, Sexualität, Krankheit und Tod als universellemensch- liche Erfahrungen. Der Holzschnitt, im Handdruck und monotypieartig gedruckt von zwei Druck- stöcken, entstand kurz nach Munchs Aufenthalt in Paris, wo er 1896 intensiv mit neuen Drucktechniken experimentierte. Zurück in Kristiania (heute Oslo), richtete er sich eine eigene Druckwerkstatt ein, in der er viele seiner Holz- schnitte und Radierungen selbst druckte, oft mit starken eigenen Eingriffen wie Variationen von Farbplatten oder Handkolorierungen. «Der Kuss II» basiert auf Entwürfen und Motivvarianten, die Munch bereits zwischen 1892 und 1896 entwickelt hatte. Der Holzschnitt ist also das Ergebnis einer längeren künstlerischen Entwicklung. Formal und technisch ist er jedoch ein Produkt seiner norwegischen Phase mit starken Einflüssen aus der Pariser Zeit. Die kräftige Farbigkeit des hier angebotenen Exemplars ist einzigartig: Munch färbte eine Druckplatte monotypieartig farbig ein. Das Blatt ist von grösster Seltenheit. Es sind nur wenige farbige Abzüge bekannt, der vor liegende, vielfarbige Holzschnitt gilt als Krönung inMunchs druckgraphischem Schaffen.
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