Auktion 288 : Edvard Munch - Meister der Druckgrafik 11.09.2025
803 Edvard Munch Løten 1863–1944 Oslo Angst 1896. Farblithographie auf Velin. 41×38,8 cm, Darstellung; 57×43,1 cm, Blatt- grösse. Unter der Darstellung rechts vom Künstler in Bleistift nummeriert und signiert «40 Edvard Munch». An den Aussenrändern mit Reissnagellöchern. Oben links ein sauber restaurierter Einriss. In besonders farbfrischer und sehr schöner Erhaltung. Schätzung CHF 500000* Werkverzeichnis Gerd Woll, Edvard Munch, The Complete Graphic Works, Oslo 2012, Nr. 63/II/3. Provenienz Slg. Prof. Dr. Curt Glaser (1879–1943), Berlin, versteigert bei Auktion Max Perl, Berlin, 19. Mai 1933, Los 1113, dort erworben von Slg. Arnold Budczies, Berlin, rückseitig mit dem Sammlerstempel. Ausstellungen Florenz 1964, Palazzo Strozzi, L’Espressionismo, pittura, scultura, architettura, Kat. Nr. 30 Bremen 1970, Kunsthalle, Edvard Munch, Druckgraphik, Auswahl aus einer bremischen Privatsammlung, Kat. Nr. 35. Die Lithographie «Angst» gehört zu den eindrucksvollsten graphischen Arbei- ten Edvard Munchs. Sie entstand erstmals im Kontext Munchs druckgraphi- scher Produktion in Paris, wohin er 1896 gereist war, um seine künstlerischen Techniken zu vertiefen. In dieser Schaffensphase arbeitete er intensiv in der Werkstätte von AugusteClot und experimentierte dort mit verschiedenen Farb- druckverfahren. «Angst» ist nicht bloss ein Begleitwerk zum ikonischen Gemälde «Der Schrei» von 1893, sondern vielmehr dessen psychologisches Echo. Während «Der Schrei» die subjektive Panik eines Einzelnen darstellt, thematisiert «Angst» ein kollektives Gefühl. Die Gesichter mehrerer Menschen – frontale, maskenhafte Erscheinungen – schreiten in einer Reihe am Rand eines Fjords entlang. Ihre Blicke sind leer, ihre Münder geschlossen. Im Hintergrund ist ein grell-rot auf- gerissener Himmel zu sehen, während das Wasser und die Landschaft von dunklen, drängenden Linien durchzogen sind. Die Lithographie unterstreicht Munchs gestalterische Radikalität: Der Raum scheint zu beben und zu flackern. Er ist kein stiller Hintergrund, sondern Teil der psychischen Erfahrung, vgl. auch Lose 804 und 956 Paris stellte für Munch nicht nur einen Ort des technischen Fortschritts dar, sondern auch einen Resonanzraummoderner Grossstadterfahrung. Isolation, Überforderung und Entfremdung spiegeln sich denn auch in «Angst» wider. «Angst» ist Ausdruck einer seelischen Grundstimmung des Fin de Siècle und zugleich visionär für das 20. Jahrhundert. Das Individuum wird in einer Welt gezeigt, die aus den Fugen geraten ist. Munch übersetzt dieses Lebensgefühl nicht in eine Erzählung, sondern in eine psychologische Topographie, wobei er die Lithographie als idealesMedium für emotionale Verdichtung und formale Abstraktion einsetzte. Von Auguste Clot gedruckt, eines der 100 nummerierten Exemplare, die 1896 in Ambroise Vollards Portfolio «Album de Peintres Graveurs» erschienen sind. Es wurde eine gütliche Einigung mit den Erben nach Curt Glaser, vertreten durch die Berliner Kanzlei «S+NRechtsanwälte», getroffen. Der aktuelle Verkauf erfolgt mit dem Einverständnis der Erben nach Curt Glaser und ist daher frei von jeglichen Ansprüchen. Die gütliche Einigungwurde in der Lost Art-Daten- bank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste vermerkt.
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