Auktion 288 : Edvard Munch - Meister der Druckgrafik 11.09.2025
784 Edvard Munch Løten 1863–1944 Oslo Tingeltangel – Tingletangle 1895. Kreidelithographie auf festem, gräulichem Velin. 44×62,6 cm, Darstellung; 56,5×71,6 cm, Blattgrösse. Mit dem Schabeisen im Stein signiert. Untere linke Ecke ergänzt. An den Blatträndern mehrere hin- terlegte Einrisse. Im Papier leichte Verfärbungen, vor allem an den Blatträndern. In guter Erhaltung. Schätzung CHF 200000* Werkverzeichnis Gerd Woll, Edvard Munch, The Complete Graphic Works, Oslo 2012, Nr. 44. Provenienz Slg. William Cohn (1880–1961), Berlin, dort 1936 erworben von Slg. Arnold Budczies, Berlin, rückseitig mit dem Sammlerstempel. Ausstellungen Frankfurt am Main 1952, Städelsches Kunstinstitut, Edvard Munch, Graphik, Kat. Nr. 21 Florenz 1964, Palazzo Strozzi, L’Espressionismo, pittura, scultura, archi- tettura, Kat. Nr. 20 Bremen 1970, Kunsthalle, Edvard Munch, Druckgraphik, Auswahl aus einer bremischen Privatsammlung, Kat. Nr. 27. Die Lithographie «Tingeltangel“ entstand 1895 in Berlin, während Edvard Munchs prägender Jahre in der deutschen Hauptstadt, die für seine Entwicklung als Druckgraphiker von zentraler Bedeutung waren. In dieser Zeit war Munch tief in die avantgardistische Kunst- und Theater- szene Berlins eingebunden, insbesondere über Kontakte zur Freien Bühne, zu Symbolisten, Literaten und Bohémiens. Der Titel «Tingel tangel», ein umgangssprachlicher Ausdruck für ein einfaches, oft als anrüchig empfundenes Unterhaltungs- oder Varietétheater, verweist dabei nicht nur auf den Ort der Szene, sondern auch auf ihre soziale und psychologische Konnotation. Im Zentrum ist eine Frau mit erhobenem Bein zu sehen, die einen «Cancan» tanzt. ImHintergrund sitzen andere Tänzerinnen und schauen verschmitzt in den Raum. Die Bewegung der tanzenden Dame wird durch sich nach oben entwickelnde Konturen des rechten Beins ange- deutet. Die Männer in den vorderen Reihen, die von hinten oder im Profil gezeigt werden, wirken distanziert und verfolgen gleichzeitig auf- merksam das Treiben auf der Bühne. Munch nutzt hier die formalen Möglichkeiten der Lithographie ganz gezielt. Die weiche Kreidetechnik erlaubt ihm, zwischen linearen Konturen und flächigen Hell-Dunkel- Verläufen zu changieren. Die Szene wirkt wie eine lebendige Moment- aufnahme oder eine Karikatur. «Tingeltangel» kann als Kommentar zu Munchs wiederkehrendem Thema der Frau als Bühne männlicher Begehren, Ängste und Macht- projektionen gelesen werden. Der Theaterraum wird dabei zum sym- bolischen Raum innerer Spannungen. Wohl 1896 von Lassally in Berlin gedruckt.
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