Auktion 288 : Edvard Munch - Meister der Druckgrafik 11.09.2025
754 Edvard Munch Løten 1863–1944 Oslo Harpyie – Harpy 1894. Kaltnadel auf «Chine collé» auf festem Velin. 29×22 cm, Chine collé; 29,8×22,8 cm, Plattenkante; 47,7×34,5 cm, Blatt grösse. Unter der Plattenkante vomKünstler in Bleistift signiert und datiert «Edv. Munch 1894». Leichte Atelierspuren und minime Stockflecken. Schätzung CHF 60000* Werkverzeichnis Gerd Woll, Edvard Munch, The Complete Graphic Works, Oslo 2012, Nr. 4/a/II (v. IV), eines der dort erwähn- ten Exemplare. Provenienz Slg. Harry Graf Kessler (1868–1937). Antiquariat Emil Hirsch, München, wohl dort 1934 erworben von Slg. Arnold Bud- czies, Berlin, rückseitig mit dem Sammlerstempel. Ausstellung Bremen 1970, Kunsthalle, Edvard Munch, Druck graphik, Auswahl aus einer bremischen Privatsammlung, Kat. Nr. 4. Die Radierung «Harpyie» zählt zu EdvardMunchs eindrucksvollsten symbolistischen Arbeiten imMediumder Kaltnadel. Das Blatt zeigt eine weibliche Figur mit ausgebreiteten Flügelarmen, deren Körper sich in organischen, teils tierhaften Linien auflöst. Der Kopf ist menschlich, der Ausdruck ernst oder abgewandt. Die Figur scheint halb Mensch, halb mythisches Wesen zu sein. Harpyien waren in der antiken Mythologie eine Verkörperung weiblicher Rache, Todesbotinnen oder verführerische Ungeheuer. Munch greift hier ein Motiv auf, das in der symbolistischen Kunst seiner Zeit häufig auftauchte: die Frau als übermächtige, bedroh- liche Naturkraft. Sowohl Harpyie als auch Vampir werden bei ihm zu Chiffren des weiblichen Unergründlichen und spiegeln männ- liche Zerrissenheit wider. Das Wesen steckt seine Krallen in einen männlichen Körper, dahinter ist ein Skelett mit Notizpapier zu sehen. «Harpyie» ist damit mehr als einemythologische Darstellung. Es ist ein inneres Bild, eine Projektion von Angst, Begehren und Kontroll- verlust. Wie vieleWerkeMunchs um 1894 kreist es umdas Verhält- nis von Mann und Frau, Körper und Psyche, Lust und Schuld. Vgl. auch Los 834. Schiefler schrieb zum vorliegenden Blatt: «Eines, auf gelbliches chinesisches Papier, das auf dickeres weißes Papier aufgezogen ist, gedruckt, gez. «Edv. Munch 1894» (Besitzer Graf Kessler) […] scheint nach der Klarheit des Abzuges der erste Druck zu sein.» Ein wunderbarer Frühdruck.
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