Auktion 288 : Edvard Munch - Meister der Druckgrafik 11.09.2025
Arnold Budczies (1866–1943) war ein bedeutender deutscher Kunstsammler, der sich insbesondere der modernen Graphik und der expressiven Malerei verschrieben hatte. Ursprünglich ausgebildet als Jurist, bekleidete er hohe Ämter im öffentlichen Dienst, unter anderem als Direktor der Reichsbank undGeheimer Finanzrat. Trotz seiner beruflichen Verpflichtungen wid- mete er sich mit grosser Leidenschaft der Kunst, nicht nur als Sammler, sondern auch als Förderer und gelegentlich selbst als künstlerisch tätiger Graphiker. Seine Sammelleidenschaft entwickelte sich aus einem tiefen Interesse an künst- lerischemAusdruck, besonders anWerken des Expressionismus. In den 1930er-Jah- ren pflegte er intensive Kontakte zu Gale- risten, Künstlern und anderen Sammlern, genannt seien etwa Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) in Davos oder Carl Hagemann (1867–1940) in Frankfurt am Main. Zusam- menmit demHamburger Sammler Heinrich Carl Hudtwalcker (1880–1952) besuchte er über die Ostertage 1936 den Künstler Rolf Nesch (1893–1975) in Norwegen und machte dabei auch bei EdvardMunch halt. Arnold Budczies war mehr als ein Sammler, er war ein Kenner und Förderer der Kunst, der nicht nur Werke hortete, sondern aktiv an deren Zirkulation und Wertschätzung beteiligt war. Nach seiner Pensionierung im Jahr 1931 konnte er sich intensiver dem Sammeln widmen, man sieht das auch an den vermehrten Ankäufen. Die frühesten Käufe von Munch-Graphik, die Budczies tätigte, sind nicht dokumen- tiert. Erst ab 1928 begann der Sammler zu notieren, wo und wann er die Werke ankaufte. Die Aufzeichnungen sind jedoch nicht abschliessend und unvollständig. Die am frühesten gesichert dokumentierten Ankäufe tätigte Budczies 1928 bei Ferdi- nandMöller undMax Perl in Berlin sowie im Graphischen Kabinett München. Werke, die nicht eindeutig zugeordnet werden können, wurden daher wohl vor 1928 erworben. Der Sammler besuchte Verkaufsausstel- lungen bei Ferdinand Möller in Berlin, dem Graphischen Kabinett in München, der Galerie Commeter in Hamburg oder Nie- rendorf in Berlin und kaufte ganze Konvo- lute zusammen. Er nahmauch an Auktionen bei Max Perl und Paul Graupe in Berlin, C.G. Boerner in Leipzig, Commeter in Hamburg, und Gutekunst und Klipstein in Bern teil. Über Vermittler wie Carl Meder in Berlin kam er zu besonderen Stücken aus der Sammlung von Heinrich Stinnes, bei Emil Hirsch in München zu Werken aus der Sammlung Harry Graf Kessler. Er erwarb auch direkt Graphiken von William Cohn. Eines der grössten Konvolute erstand Bud- czies am 19. Mai 1933 an der Auktion bei Max Perl in Berlin aus der Sammlung von Curt Glaser. Mit den Erben Glaser konnte eine faire und gütliche Einigung für die 42 dort erworbenenGraphiken getroffen wer- den, sie sind daher nun frei von jeglichen Ansprüchen. Die Erben Glaser verpflichte- ten sich zudem, nach der Auktion die Ergänzung der Eintragung der betroffenen Werke in der Lost Art-Datenbank um den Hinweis auf die erzielte gütliche Einigung zu veranlassen. Die Munch-Sammlung ist in ihrer Einzig- artigkeit ein bedeutendes Zeitdokument. Dank den beherzten Ankäufen in den 1930er-Jahren überdauerten die Werke das Dritte Reich, das Munch 1937 als «ent- arteten» Künstler einstufte. Die absoluten Seltenheiten waren in den letzten Jahren auch immer wieder in wichtigen Munch- Ausstellungen zu sehen. Die Witwe des Sammlers, Else Budczies, schrieb am 14. Dezember 1943 einen Brief an EdvardMunch, um ihmzum80. Geburts- tag zu gratulieren. Der Brief endet mit «Mein Mann gehörte ja den wenigen Sammlern an, die selber diese Kunst ausüben, und ist dieser, Ihrer Tradition bis zu seinem Tode im 78. Lebensjahre treu geblieben. Er hin- terlässt eine grosse Grafiksammlung auch von Ihren Werken, die aber sicher aufge- hoben ist. Das wollte ich Ihnen noch mit- teilen.» Die Sammlung blieb für über 80 Jahre in derselben Familie. Mit der Zeit ent- stand der Wunsch, dass die Werke nun in neue Hände übergehen sollen. Wir sind geehrt, dass das in Bern geschehen kann, wo Arnold Budczies im Juni 1938 einige Graphiken aus der ehemaligen Sammlung Heinrich Stinnes erworben hatte. Der Sammler Arnold Budczies English version Arnold Budczies, Selbstbildnis mit Zigarre, um 1933, Radierung bpk / Hamburger Kunsthalle / Christoph Irrgang
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