Auktion 288 : Edvard Munch - Meister der Druckgrafik 11.09.2025
Bei der Sammlung Arnold Budczies mit 282 Graphikblättern von Edvard Munch, in der sich auch viele frühe Handdrucke befinden, handelt es sich um die letzte der grossen Privatsammlungen aus der Zwischen- kriegszeit. Nun wird sie aufgelöst. Als sich EdvardMunch imSpätherbst 1894 der Druckgraphik zuwandte, geschah dies sicherlich in der Hoffnung, dass sich Drucke leichter verkaufen liessen als Gemälde. Denn obwohl seine Gemälde häufig gezeigt wurden und beachtliche Aufmerksamkeit erregten, konnte er davon kaum etwas verkaufen. Um als Künstler seinen Lebensunterhalt zu verdienen, musste sich Munch also etwas einfallen lassen, da er weder aus wohlhabendem Hause stammte, noch er einen Beruf gelernt hatte, auf den er zurückgreifen konnte. Seine ersten Versuche in der Druckgraphik fanden im Kreis der neu gegründeten deutschen Zeitschrift PAN viel Beifall. Einer der Gründer der Zeit- schrift, Eberhardt von Bodenhausen, schrieb Munch, dass der Tiefdruck sein eigentliches Medium zu sein schiene und er mit ein wenig mehr technischem Geschick sicher ein gutes Einkommen erzielen würde. 1 Im Juni des folgenden Jahres veröffentlichte der damalige Her- ausgeber der Zeitschrift, Julius Meier- Graefe, eine kleine Mappe mit acht Tief- drucken von Munch. Graefe beklagte sich allerdings wiederholt über den schleppen- den Verkauf der Mappe, und man muss 1 Brief von Eberhard von Bodenhausen an Edvard Munch, 12. Dezember 1894. Das Original befindet sich im Munchmuseet unter der Nummer MM.K.2071 ( https://www.emunch.no/HYBRIDNo- MM_K2071.xhtml #ENo-MM_K2071-02). davon ausgehen, dass sie kein grosser finanzieller Erfolg war. In den nächsten Jahren erkundeteMunchmit grossemEifer die Möglichkeiten der verschiedenen graphischen Verfahren. So fertigte er von 1896 bis 1897 in Paris mehrfarbige Drucke im Tiefdruck, in der Lithographie und im Holzschnitt. Nach wie vor stellte die Druck- graphik für ihn jedoch eher einen Kosten- faktor als eine Einnahmequelle dar. Nach seiner Rückkehr nach Berlin im Jahr 1901 lernteMunch drei Männer kennen, die wesentlich zu seinem Erfolg als Graphiker beitragen sollten: Kollmann, Linde und Schiefler. Der Mystiker und Kunstliebhaber Albert Kollmann war sehr anMunchs Kunst interessiert und vermittelte in den folgen- den Jahren zahlreiche Verkäufe und Auf- träge für den Künstler. Eine seiner ersten Aktivitäten bestand darin, den Kunstsamm- ler Max Linde, der bereits einige Gemälde Munchs in seine Sammlung französischer Kunst integriert hatte, davon zu überzeu- gen, eine Sammlung von Munchs Druck- graphik zu erwerben. Linde beauftragte Munch zudem mit einer Mappe von Port- räts seiner Familie und Darstellungen sei- nes Landsitzes in Lübeck. 2 Der Hamburger Richter und Kunstsammler Gustav Schief- ler, der Linde besuchte, war von Munchs Drucken sobeeindruckt, dass er beschloss, einen Katalog davon zu erstellen. Dieser erschien 1907 und umfasst 247 Motive. Lange stelle er das wichtigste, ja einzige Nachschlagewerk zu Munchs Graphiken dar. Um sich bei der Bewerbung und dem Ver- kauf seiner Graphiken unterstützen zu las- sen, schloss Munch 1904 einen Dreijahres- vertrag mit dem Kunsthändler und Verleger Bruno Cassirer ab. Munch war jedoch mit Cassirers Bemühungen nicht zufrieden. Als sich am Ende der Vertragslaufzeit heraus- stellte, dass Munch Cassirer mehr als 1000 Mark schuldete, musste er eine Mög- lichkeit finden, die Zahlung zu leisten, um eine Verlängerung des Vertrags zu umge- hen. Der in Stockholmansässige Ernest Thiel kam Munch zu Hilfe. Er erklärte sich bereit, ihm im Tausch gegen Abzüge Geld zu schicken. Thiel reiste nach Lübeck, um dort Lindes Sammlung zu studieren. Das Gleiche tat der Norweger RasmusMeyer, denMunch zum Kauf einer grösseren Sammlung von Drucken überzeugen konnte. Munch benutzte bei der Beschreibung von Thiels und Meyers Sammlungen das Wort «vollständig». In einem Brief an Munch betonte Kollmann, dass Curt Glaser, der damalige Kurator des Berliner Kupferstich- kabinetts, beabsichtigte, die Sammlung 2 In der Sammlung Budczies befindet sich die voll- ständige Mappe From Max Linde’s House 1902 (Schiefler 176–191; Woll 208–223). vonMunch-Drucken zu vervollständigen. 3 Zudem trugGlaser selbst eine beachtliche Privatsammlung zusammen, in der Munchs Drucke einen wichtigen Teil ausmachten. Nach 1907 musste Munch den Verkauf sei- ner Graphiken selbst in die Hand nehmen. Es war damals von grossemVorteil, mit einer «vollständigen» Sammlung von Drucken in bekannten öffentlichen und privatenMuseen vertreten zu sein. Zugleich betonte Munch oft, dass seine Kunstwerke leichter zu verste- hen seien, wennman sie als Ganzes betrach- tet. Munchs Graphiken waren nie dazu gedacht, in Alben oder Mappen in Lagern und Archiven versteckt zu werden. Die gros- sen, dekorativen Blätter sollten vorzugsweise wie Gemälde an der Wand hängen. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs verlor Munch den Kontakt zum deutschen Markt. Der einzige deutsche Sammler, der während des Kriegs Werke von Munch erwerben konnte, war Carl Hudtwalcker, der eine Lebertranfabrik in Kristiania (dem heutigenOslo) besass. Dadurch war es ihm möglich, die Werke direkt bei Munch zu erwerben und somit die Devisenbeschrän- kungen zu umgehen. Als sich Europa nach demErstenWeltkrieg wieder für den Verkehr und grenzüber- schreitende Kontakte öffnete, gab es eine grosse Nachfrage nach Ausstellungen mit Werken von Edvard Munch. 1922 zeigte eine grosse Ausstellung im Kunsthaus Zürich mehr als 400 Graphiken mit vielen Leihgaben aus deutschen Museen sowie 3 Brief von Albert Kollmann an Edvard Much, 2. Dezember 1912. Das Original befindet sich im Munchmuseet under der Nummer MM.K.2708 (https://www.emunch.no/HYB RIDNo-MM_K2708.xhtml). Eine wichtige Privatsammlung von Munch-Graphiken aus der Zwischenkriegszeit Gerd Woll Los 925 Selbstbildnis im Schatten – Self- Portrait in Shadow, 1912 Los 821 Der Kuss II – The Kiss II, 1897
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