Auktion 287 : Kunst des 19. bis 21. Jahrhunderts 11.09.2025

262 Honoré Daumier Marseille 1808–1879 Valmondois Ratapoil (Le rat à poil – Die nackte Ratte) Entwurf 1851, Guss 1957. Bronze. 44,2 cm, hoch. Hinten rechts auf dem Sockel nummeriert «12/12», hinten links am Sockel mit dem Giesser­ stempel «CIRE/C VALSUANI/PERDUE». Mit schwarzgrüner Patina. In sehr guter Erhaltung. Schätzung CHF 35000* Werkverzeichnis  Gobin 61. Provenienz  Slg. Eberhard W. Kornfeld, Bern. Literatur  Roger Passeron, Daumier, Témoin de son temps, Freiburg 1979, S. 169. Die Figur des «Ratapoil» (Rat-à-poil/Nackte Ratte) verkörperte in den heftigen politischen Auseinandersetzungen zwischen Demokraten und Royalisten in Frankreich die Figur des rechtsextremen Schlägertyps und «Agent Provocateurs» – er war die Personifizierung politischer Machen- schaften der extremen Rechten schlechthin. Schnauz und Spitzbart erinnern an die Gesichtshaartracht von Louis-Napoléon Bonaparte, der sich 1848 zum Präsidenten der Republik wählen liess, sich mittels eines Staatstreiches 1851 zumPräsidenten für zehn Jahre ernannte, aber schon im Dezember 1852 als Napoléon III. zum Kaiser von Frankreich gekrönt wurde. Während 18 Jahren unterdrückte das neue Kaiserreich vehement alle demokratischen Strömungen. Es hielt bis zur Schlacht bei Sedan 1870 an, in der Napoléon III. durch die Preussen gefangen genommen wurde. In all den Jahrzehnten dieser heftigen politischen Auseinander- setzungen stand Daumier auf der Seite der Demokraten. Er überlebte das Kaiserreich und starb am 11. Februar 1879 in Valmondois. Daumier schuf die Figur des «Ratapoil» in Ton imMärz 1851, belegt durch den Bericht eines Atelierbesuches vonMichelet. Bereits zwischenMärz 1850 und Februar 1851 erschienen zahlreiche politischmotivierte Litho- graphien, auf denen die Figur des «Ratapoil» festgehalten ist. Gegenüber der in Ton gestalteten Figur gibt es jedoch leichte Abweichungen. Die nach diesem Zeitpunkt erschienenen Lithographien schliessen sich figural enger an die Skulptur an. Die Skulptur in Ton existiert nicht mehr. Schon im Jahre 1851 wurde sie in Gips abgeformt, wohl durch den in technischen Belangen sehr versierten Bildhauer Adolphe-Victor Geoffroy Dechaume, einem engen Freund Daumiers. Spätestens ab 1888–1891 sind zwei Gipse nachweisbar. Der ab 1851 belegbare Gips A, der von Daumier und später von seiner Witwe aus politischenGründen versteckt wurde und dann in den Besitz von Geoffroy Dechaume über- ging, diente als Vorlage für die 1890 gegossenen Exemplare und der Auflage von Siot Decauville sowie für die Auflage von Alexis Rudier von 1925. Gips B ist erstmals ab 1888–1891 belegt, ebenfalls in der Sammlung von Geoffroy Dechaume, Paris. Er ist nachweisbar später in der Samm- lung Albert Bouasse-Lebel, Paris, und gelangte dann zuMaurice Loncle, Paris. Dieser initiierte die einzige Auflage dieses Gipses und liess 1957 zwölf nummerierte Güsse und drei Exemplare, bezeichnet E[ssai] 1, E 2 und E 3, bei Valsuani giessen. Insgesamt bestehen von den drei Auflagen zwischen 40 bis 50 Exemplare dieser Figur.

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