Auktion 285 : Ausgewählte Arbeiten auf Papier aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld 12.09.2025

1925. Rohrfeder in Tusche, stellenweise mit der Pinselrückseite gekratzt, auf teilweise collagiertem, braunem Papier. 35×26 cm. Unten rechts vomKünstler in Tusche signiert und datiert «Picasso/ Novembre 1925». Etwas gewellt und mit leichten Knittern im linken Rand. Zwei kleine Einrisse jeweils im oberen und rechten Rand. Leicht fleckig im oberen rechten Rand. Mit Reissnagellöchern in vier Ecken. Die Rückseite minim stockfleckig und mit Spuren einer alten Montierung. In sehr guter Erhaltung Schätzung CHF 325000 * Werkverzeichnis Christian Zervos, Pablo Picasso,Œuvres de 1923 à 1925, Paris 1952, Bd. 5, Nr. 458 Provenienz Galerie Rosengart, Luzern, Inv.-Nr. 2254 AuktionGalerie Kornfeld, Bern, 23. Juni 1995, Los 111, dort erworben von Slg. EberhardW. Kornfeld, Bern, rückseitigmit demSammlerstem- pel, Lugt 913b Literatur Paul Ferdinand Schmidt, Geschichte der modernenMalerei, Frank- furt am Main 1956, Abb. S. 141 Jean Bouret, Picasso Dessins, Paris 1950, Abb. S. 55 Maurice Jardot, Pablo Picasso, Drawings, NewYork 1959, Abb. S. 72 Ausstellungen Davos 1998/1999, Kirchner Museum, Werke aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld, Kat. Nr. 50 Bern 2001/2002, Kunstmuseum, Picasso und die Schweiz, Kat. Nr. 89 Madrid 2003, Fundación Juan March, Espíritu de modernidad: de Goya a Giacometti, Obra sobre papel de la colección Kornfeld, Kat. Nr. 36 Wien 2008/2009, Albertina, Wege der Moderne, Aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld, Kat. Nr. 37 Die Zeichnung «Femme assise» illustriert Pablo Picassos facetten- reiche Auseinandersetzung mit der figürlichen Darstellung in den 1920er-Jahren, einer Zeit, in der er stilistisch zwischen Kubismus, Klassizismus und Surrealismus oszillierte. Die variierenden Strich- stärken und Schraffuren erzeugen ein dynamisches Wechselspiel zwischen Kontur und Binnenzeichnung, wodurch dem Körpervo- lumen eine subtile Plastizität verliehen wird. Stellenweise wurde die Kompositionmit der Pinselrückseite in Kratztechnik bearbeitet. Dadurch werden bestimmte Flächen modelliert und optisch her- ausgehoben. Diese Technik verstärkt die Tiefenwirkung und erzeugt einen faszinierenden Kontrast. Der Einsatz von Collage lässt das Bild- und Trägermaterial zu einer Einheit verschmelzen, was der Arbeit eine besondere haptische und visuelle Tiefe verleiht. Kunsthistorisch liegt das Werk im Spannungsfeld zwischen der Rückbesinnung auf die klassische figürliche Darstellung und der Sprache der Surrealisten. Die Mitte der 1920er-Jahre war eine Phase, in der Picasso nach Jahren der radikalen Formzerlegung diemenschliche Figur wieder verstärkt zumThemamachte, jedoch nicht in naturalistischer Weise, sondern als Synthese aus Volumen, Fläche und Linie. Zugleich zeigen die klaren Konturen und die kom- pakte Sitzhaltung eine Nähe zum neoklassizistischen Stil, der ihn zeitweise beeinflusste. Die Darstellung der Frau, ruhig und selbstbewusst, strahlt eine gewisse Zeitlosigkeit aus. Die Zeichnung vermittelt zugleich Inti- mität undMonumentalität, einMerkmal vieler Werke Picassos die- ser Jahre. Die Frau ist faktisch von zwei Seiten dargestellt: einmal frontal, einmal von der Seite. «Femme assise» dokumentiert die Vielschichtigkeit seines künstlerischen Schaffens und sein perma- nentes Ringen um eine moderne Formensprache, die gleichzeitig innovativ und tief in der Kunstgeschichte verwurzelt ist. Es ist bekannt, dass sich der Künstler damals in einer persönlichen Krise befand. Seine Kunst dieser Zeit zeigt oft stark aufgeladene, quasi zerrissene weibliche Figuren, was manche auch als Reflexion seiner inneren Konflikte deuten. Die Ehe mit seiner ersten Ehefrau Olga Khokhlova stand auf keinem guten Fundament mehr. Als er 1927 Marie-Thérèse Walter kennenlernte, gab er seine erste Ehe sukzessive auf. Vielleicht ist auf der Zeichnung sogar Olga dargestellt, einmal als sinnlicheMuse, einmal als Schatten. Jedenfalls ist es eine wunder- bar akzentuierte Zeichnung aus den 1920er-Jahren. 90 Pablo Picasso Málaga 1881–1973 Mougins Femme assise

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