Auktion 285 : Ausgewählte Arbeiten auf Papier aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld 12.09.2025
1919. Papiercollage, Bleistift, Kreide und Stempelfarbe auf Karton (recto und verso). 23,5×19,2 cm. Unten links vomKünstler in Bleistift signiert «Kurt Schwitters». Der Karton leicht gebräunt undmit Licht- rand. Leichte Knitterlinien in der oberen rechten Ecke. Rückseitig mit Spuren einer alten Montierung. Schöne Collage in sehr guter Erhaltung Schätzung CHF 100000 * Werkverzeichnis KarinOrchard/Isabel Schulz, Kurt Schwitters, Catalogue raisonné, Bd. 1, 1905–1922, Hannover 2000, Nr. 514.1 (recto) und 514.2 (verso) Provenienz Slg. HerwarthWalden, wohl einGeschenk des Künstlers (1919–1941) Nachlass HerwarthWalden/Slg. Nell Walden, Berlin und Schinznach (1941–1972) Auktion Kornfeld &Cie., Bern, 17. Juni 1972, Los 1144, dort erworben von Slg. EberhardW. Kornfeld, Bern, rückseitigmit demSammlerstem- pel, Lugt 913b Literatur Sturm-Bilderbuch IV, 1920, Kurt Schwitters, Abb. S. 17, die Repro- duktion ist gegenüber dem Original links und unten beschnitten Ausstellungen Venedig 1960, La Biennale di Venezia, XXX Biennale Internazionale d’Arte, Kat. Nr. 10 Bern 1989, Kunstmuseum, Von Goya bis Tinguely, Aquarelle und Zeichnungen aus einer Privatsammlung [Slg. EberhardW. Kornfeld], Kat. Nr. 167 Basel 2004, TinguelyMuseum, Kurt Schwitters, Merz – einGesamt- weltbild, Kat. Nr. 10 Hannover/Rotterdam2006/2007, Sprengel Museum/MuseumBoij- mans Van Beuningen, Merzgebiete, Kurt Schwitters und seine Freunde, Kat. Nr. 133 Hannover/Bern 2011/2012, Sprengel Museum/KunstmuseumBern, Anna Blume und ich – Zeichnungen von Kurt Schwitters, Kat. Nr. 104 (nur in Bern ausgestellt) ImJuli 1919 stellte Kurt Schwitters in der 76. Ausstellung in Herwarth Waldens Galerie Der Sturm in Berlin aus. Es war ein entscheidender Moment in seiner künstlerischen Entwicklung. Obwohl Schwitters anfangs von den Berliner Dadaisten skeptisch betrachtet wurde, fand er in Walden einen wichtigen Förderer. Walden erkannte früh das innovative Potenzial von Schwitters’ Collagen und seinem neu entwickelten Merz-Konzept. In der Doppelausstellung mit Magda Langenstrass-Uhlig zeigte Schwitters seine frühen Merzbilder, in denen er Alltagsfragmente wie Zeitungsausschnitte, Fahrpläne und Reklamestreifen mit malerischen Elementen kombinierte. Die Prä- sentation in der renommierten Galerie verhalf Schwitters zu einer klaren Positionierung innerhalb der internationalen Avantgarde. Gleichzeitig veröffentlichte Walden Schwitters’ Texte und Werke in der Zeitschrift «Der Sturm», wodurch seine Ideen weiter Verbrei- tung fanden. Die Ausstellung markiert den Beginn einer produkti- ven, aber auch eigenständigen Beziehung Schwitters’ zur Berliner Kunstszene. Die vorliegende Collage aus dem Jahr 1919 ist ein bedeutendes Zeugnis der engen Verbindung zwischen dem Künstler und dem Berliner Galeristen und Verleger. Anlässlich der Ausstellung bediente er sich wohl im Büro der Stempel «Herwarth Walden», «Der Sturm» und «Bezahlt», zeichnete Konstruktionen und setzte collagierte Frankatur-Ränder auf das Blatt. Die Komposition wirkt zugleich rhythmisch und kontrolliert, mit bewusst gesetzten Kon- trasten zwischen vertikalen und diagonalen Strukturen. Damit zeigt Schwitters seine Auseinandersetzung mit konstruktiven Bildord- nungen, während das verwendete Material an den Dadaismus erinnert. Rückseitig finden sich weitere Zeichnungen, collagierte Zeitungsschnipsel sowie Stempelungen mit «Berlin-Friedenau». Indem Schwitters typografisches Material, Werbezitate und abs- trakte Formen kombinierte, hob er die Grenze zwischen Kunst und Alltag auf – ein zentraler Gedanke seiner Merz-Kunst, die er zeit- gleich zu formulieren begann. Die Arbeit steht damit exemplarisch für die Transformation der Collage von einer rein illustrativen Tech- nik zu einem autonomen künstlerischen Ausdrucksmittel der Moderne. Die Arbeit lässt sich als Hommage an Walden und dessen avant- gardistisches Netzwerk lesen, in dem Schwitters 1919 als junger Künstler erstmals prominent vertreten war. Unterhalb der Mitte sind zwei ineinander verschlungene Kreise zu sehen, auf die ein Pfeil von der Signatur weist. Dies soll wohl auf die innige Verbindung zwischen Schwitters und Walden hinweisen. Der Künstler hat das Blatt mit grosser Sicherheit anlässlich der Ausstellung dem Gale- risten geschenkt. Es blieb bis 1972 bei Nell Walden, der Witwe des Galeristen, von welcher es Eberhard W. Kornfeld direkt erworben hat. Eine typische Arbeit, in der Stempeldrucke, Collage und Zeich- nung eindrücklich kombiniert werden. 83 Kurt Schwitters Hannover 1887–1948 Ambleside Ohne Titel (Der Sturm) (recto) – Ohne Titel (Berlin-Friedenau) (verso) verso
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