Auktion 285 : Ausgewählte Arbeiten auf Papier aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld 12.09.2025
1914. Werknummer 1914.102. Aquarell über Bleistift auf französi- schem Ingres-Papier, auf Karton aufgezogen. 14,4×23,6 cm, Dar- stellung inkl. Schrift; 17,7×26,9 cm, Unterlagekarton. Links in der Mitte der Darstellung vomKünstler in Tusche signiert «Klee». Auf der Unterlage unten links in Tusche mit der Werknummer «1914 102». Frisch in den Farben, mit kleiner Fehlstelle oben links im Rosa. Ein- zelne kleine Stockflecken unten links imBlau undGrau. Die Unterlage gebräunt undmit Lichtrand. Rückseitigmit Spuren einer altenMon- tierung. In schöner Gesamterhaltung Schätzung CHF 275000 * Werkverzeichnis Paul Klee Stiftung, Catalogue raisonné, Bd. 2, Werke 1913–1918, Bern 2000, Nr. 1202 Provenienz Slg. Werner Vowinckel, Köln/München (bis 1943) Slg. Edith Vowinckel-Diel, Köln/München (1943–1956) Klipstein & Co., Bern (ab 1956). James Wise, Genf/New York/Nizza Berggruen & Cie., Paris (1973–1980) AuktionGalerie Kornfeld, Bern, 19. Juni 1980, Los 679, dort erworben von Slg. EberhardW. Kornfeld, Bern, rückseitig auf der Unterlagemit dem Sammlerstempel, Lugt 913b Literatur Brigitte Uhde-Stahl, 1914/1915: Die Tunisreise und ihre Folgen, unver- öffentlichtes Manuskript, Tübingen 1995/1996, S. 41 Regula Suter-Raeber, Paul Klee, Der Durchbruch zur Farbe und zum abstrakten Bild, in: AusstellungskatalogMünchen 1979/1980, S. 156 Otto Karl Werckmeister, Versuche über Paul Klee, Frankfurt amMain 1981, S. 35 Otto Karl Werckmeister, TheMaking of Paul Klee’s Career 1914–1920, Chicago/London 1989, S. 72 Jenny Anger, Modernism and the Gendering of Paul Klee, Disserta- tion, Brown University, Providence 1997, S. 117 Andreas Vowinckel, Paul Klee, Rheinische Sammlungen, Sammlung Vowinckel, in: Paul Klee im Rheinland, Bonn/Köln 2003, S. 39 Jenny Anger, Paul Klee and the Decorative inModern Art, Cambridge 2004, S. 113 Christoph Wagner, Kosmos Farbe, Johannes Itten und Paul Klee, Etappen einer künstlerischen Recherche, in: Itten – Klee, Kosmos Farbe, Bern/Berlin 2013, S. 13 Stefan Frey, Paul Klee in grossen Privatsammlungen Deutschlands 1915–2015, Ein Überblick, in: Phantasiewelten Paul Klee, Murnau 2015, S. 79 Osamu Okuda, Le cubisme et l’acte créateur du découpage chez Paul Klee, in: Paul Klee, L’ironie à l’œuvre, Paris 2016, S. 63 Hajo Düchting, Paul Klee, Köln 2016, S. 31 Ausstellungen Berlin 1916, Galerie Der Sturm, Neununddreissigste Ausstellung, Kat. Nr. 20 Basel 1917, Galerie Corray, Sturm-Ausstellung, Kat. Nr. 47 Zürich 1917, Galerie Dada, Sturm-Ausstellung I und/oder Sturm- Ausstellung II, ohne Kat. Dresden 1919, Galerie Ernst Arnold, II. Expressionistische Ausstel- lung, Der Sturm, Kat. Nr. 152 Berlin 1920, Galerie Der Sturm, Neunundachtzigste Ausstellung, Kat. Nr. 71 Düsseldorf 1931, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Ausstellung veranstaltet in Verbindungmit der Galerie Alfred Flecht- heim, Kat. Nr. 96 Bern 1956, Klipstein &Co., Künstlergruppe Brücke, Der Blaue Reiter, Bauhaus, Kat. Nr. 83 Tokyo/Osaka 1978/1979, Fuji Television Gallery/Gallery Kasahara, Paul Klee, Kat. Nr. 1 Bern 1989, Kunstmuseum, Von Goya bis Tinguely, Aquarelle und Zeichnungen aus einer Privatsammlung [Slg. E.W.K.], Kat. Nr. 75 Andros 1993, Museumof Modern Art, Basil & EliseGoulandris Foun- dation, Paul Klee, Kat. Nr. 25 Düsseldorf/Stuttgart 1995, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen/ Staatsgalerie, Paul Klee, Im Zeichen der Teilung, Kat. Nr. 53 Davos 1998/1999, Kirchner Museum, Werke aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld, Kat. Nr. 35 Bremen 2000, Kunsthalle, Der Blaue Reiter, Kat. Nr. 102 Turin 2000/2001, Galleria Civica d’ArteModerna e Contemporanea, Paul Klee, S. 165 Madrid 2003, Fundación Juan March, Espíritu de modernidad: de Goya a Giacometti, Obra de la colección Kornfeld, Kat. Nr. 25 Ludwigshafen 2003/2004, Wilhelm-Hack-Museum, Der Blaue Rei- ter, Die Befreiung der Farbe, Kat. Nr. 196 Rom2004, Complesso del Vittoriano, Paul Klee, Uomo, pittore, diseg- natore, Kat. Nr. 36 Wien 2008/2009, Albertina, Wege der Moderne, Aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld, Kat. Nr. 131 Kochel/Halle/Bern 2010/2011, Franz Marc Museum/Stiftung Moritz- burg/ ZentrumPaul Klee, FranzMarc, Paul Klee, Dialog in Bildern, S. 231 Bern 2012/2013, Kunstmuseum, Itten, Klee, Kosmos Farbe, Kat. Nr. 18 Bern 2015/2016, Zentrum Paul Klee, Klee in Bern 3, ohne Kat. Paris 2016, CentreGeorges Pompidou, Paul Klee, L’ironie à l’œuvre, S. 301 Bern 2017, Zentrum Paul Klee, Sollte alles denn gewusst sein? Paul Klee, Dichter und Denker 2, ohne Kat. Riehen 2017/2018, Fondation Beyeler, Paul Klee, Die abstrakte Dimension, S. 216 Das Jahr 1914 zählt zu den fruchtbarsten in Klees Schaffen. Höhe- punkt war sicherlich die Reise nach Nordafrika mit den Künstler- freunden August Macke und LouisMoilliet, die als «Tunisreise» in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Moilliet kannte Tunesien bereits von zwei früheren Reisen und lebte in Gunten am Thunersee. Mit Klee war er seit Gymnasialzeiten befreundet. Macke lebtemit seiner Familie ab Herbst 1913 in Hilterfingen, nicht weit vonGunten entfernt. Klee war oft bei seiner Familie in Bern zu Gast, und so kamen die drei Künstlerfreunde regelmässig im Raum Bern zusammen. Im Januar 1914 trafen sie sich bei Macke und Klee schlug vor, eine gemeinsame Reise nach Tunesien zu unternehmen. Nach einigen organisatorischen Ungereimtheiten sollte das Unterfangen imFrüh- jahr umgesetzt werden. Klee führte auf der Reiseminutiös Tagebuch, sodass alle Stationen bekannt sind. Nur wenige Arbeiten entstanden direkt auf der Reise. Die Eindrücke wirkten jedoch in der Folge – bei Klee sicher bis 1923 – entscheidend nach. «Mit den braunen Spitzen» gehört zu diesen atmosphärisch dichten Werken aus dieser Zeit. Es steht für den damals einsetzenden gestal- terischenWandel vomLinearen hin zumMalerischen, von der Beob- achtung zur inneren Bildwelt. Das Aquarell zeigt eine abstrahierte Landschaft mit klar gegliederten Flächen in leuchtenden, transpa- renten Farben, die von spitzenförmigen Gebilden in Dunkelbraun überragt werden. Diese «braunen Spitzen» können als stilisierte Baumkronen, architektonische Formen oder Bergsilhouetten gele- sen werden. Farblich dominiert eine warme, mediterrane Palettemit den Farben Ocker, Siena, Orange und zartem Grün, die mit kühlen Akzenten in Blau und Grau kombiniert werden. Diese Farbenwelt zeugt klar vom tiefen Eindruck, den die Reise nach Nordafrika hin- terlassen hat: Das Licht, die Klarheit und die Reduktion der Formen sind spürbar. Klee schrieb dazu 1914 in sein Tagebuch: «Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiss das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.» 72 Paul Klee Münchenbuchsee bei Bern 1879–1940 Muralto Mit den braunen Spitzen
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