Auktion 280 : Meisterwerke aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld 13.09.2024
1912. Gouache, Graphitstift und Tusche auf Velin. 26,2×47,3 cm. Unten rechts vom Künstler signiert «Chagall» (im Weiss), darunter mit einer schwer lesbaren Signatur «M Chagall» (im Bordeaux). Minime Reissnagellöchlein im oberen Rand. In der weissen Farbe teilweise minime Abreibungen. Papier leicht gebräunt, farbfrische Erhaltung. Schätzung CHF 1 750000 Werkverzeichnis Echtheitsbestätigung (Nr. 2024113) des ComitéMarcChagall, Paris, datiert vom 6. Juni 2024, liegt vor Provenienz Wohl Galerie «Der Sturm», Herwarth Walden, Berlin Slg. Théodore Ahrenberg, Stockholm Galerie d’Art Moderne, Marie-Suzanne Feigel, Basel, Sommeraus- stellung 1957, Kat. Nr. 12, Abb., dort angekauft vonGalerie Kornfeld, Bern Slg. EberhardW. Kornfeld, Bern, rückseitigmit demSammlerstem- pel, Lugt 913b Literatur Werner Haftmann, Marc Chagall, Gouachen, Zeichnungen, Aqua- relle, Köln 1975, Abb. Tf. 11 Daniel Marchesseau, Chagall, ivre d’images, Paris 1995, Abb. S. 31 Jacob Baal-Teshuva, Marc Chagall, Köln 1998, Abb. S. 62 Monte Packham, LivingwithMatisse, Picasso andChristo, Theodor Ahrenberg and His Collections, London 2018, Abb. S. 160–161 Ausstellungen Basel 1957, Galerie d’Art Moderne, Kat. Nr. 12 Hamburg/München 1959, Kunsthalle/Haus der Kunst, Marc Chagall, Kat. Nr. 190 Bern 1960, Klipstein und Kornfeld, Marc Chagall, Kat. Nr. 7 Paris 1984, Centre Georges Pompidou, Marc Chagall, Œuvres sur papier, Kat. Nr. 39 Rom 1984/1985, Musei Capitolini, Marc Chagall, Kat. Nr. 39 Hannover/Zürich 1985, Kestner Gesellschaft/Kunsthaus, Marc Chagall, Arbeiten auf Papier, Kat. Nr. 39 Bern 1989, Kunstmuseum Bern, Von Goya bis Tinguely, Aquarelle und Zeichnungen aus einer Privatsammlung [Slg. EberhardW. Korn- feld], Kat. Nr. 110, Abb. S. 203 Paris 1995, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, MarcChagall, Les années russes, Kat. Nr. 73, Abb. S. 94 Bern 1995/1996, Kunstmuseum, Chagall 1907–1917, Kat. Nr. 117 Davos 1998/1999, Kirchner Museum, Werke aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld, Kat. Nr. 41 Madrid 2003, Fundación Juan March, Espíritu de modernidad: de Goya a Giacometti, Obra sobre papel de la colección Kornfeld, Kat. Nr. 40, S. 133, Abb. S. 77 Wien 2008/2009, Albertina, Wege der Moderne, Aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld, Kat. Nr. 47, S. 284, Abb. S. 85 Zürich/Liverpool 2013, Kunsthaus/Tate, Chagall – Meister der Moderne, Kat. Nr. 23, S. 186, Abb. S. 86 (nur in Zürich ausgestellt) Basel 2017/2018, Kunstmuseum, Chagall – Die Jahre des Durch- bruchs 1911–1919, Kat. Nr. 64, S. 290, Abb. S. 210 Nach seinen Ausbildungsjahren in Sankt Petersburg drängte es Marc Chagall, seine Kunst in Paris weiterzuentwickeln und neue Inspirationsquellen in den reichhaltigen Museumssammlungen, den bedeutenden Galerien und in der Konfrontationmit den Avant- gardekünstlern zu suchen. Mit dem Erlös aus dem Verkauf zweier Bilder und einemkleinen Stipendium seines GönnersMaximWina- wer konnte er endlich 1911 über Berlin nach Frankreich reisen. Er bezog sein erstes Atelier in der Impasse du Maine (heute Rue Antoine Bourdelle), nahe der Gare Montparnasse. Im Winter 1911/1912 bezog er ein neues, grösseres Atelier in der 1902 vom Bildhauer Alfred Boucher gegründeten Künstlersiedlung «La Ruche» (Der Bienenkorb) im 15. Arrondissement. Dort fand er sich inmitten der internationalen Bohème von Paris wieder und begeg- nete den Avantgardisten von Montparnasse wie den Dichtern Guillaume Apollinaire, Blaise Cendrars und Max Jacob sowie Künstlern wie Robert Delaunay, Fernand Léger oder Amedeo Modigliani. Wie im Fieber und dürstend nach Anerkennung entstanden im neuen Atelier nun auch grössere Formate. Für die Themen schöpfte der Maler in erster Linie aus dem persönlichen Vokabular, dem russischen Leben und den Ansichten von Witebsk, die ihn stark geprägt hatten. Formell flossen jedoch neue Stilrichtungen wie der Fauvismus, aber auch der Kubismus ein und trugen dazu bei, Chagalls äusserst persönlichemalerische Ausdrucksweise zu ent- wickeln: gewissermassen das Verweben einer traditionellen Bild- sprache, genährt mit den Neuerungen der Avantgarde. Der Dichter Apollinaire nannte seine Bildwelten denn auch «surnaturel» (über- natürlich). In Paris entstanden auch viele Gouachen, eine Technik, die der Künstler als geeignet fand, um seine spontanen Improvisa- tionen umzusetzen. Auch die hier angebotene Gouache «Esquisse pour leMarchand de bestiaux» ist in dieser Zeit in Paris entstanden, als essenzielle Vorarbeit zum grossformatigen Gemälde von 1912, das sich heute im Kunstmuseum Basel befindet. Thematisch greift der Künstler auf Kindheitserinnerungen zurück, die er mit einem Onkel, einem Viehhändler, verbunden hatte. Der Künstler charak- terisierte darin unterschiedlicheCharaktere aus demHändlerleben. Die Darstellung ist aber nicht nur persönlich-anekdotisch zu ver- stehen. Chagall nahm schon früh das ThemaMigration auf, der das jüdische Volk ausgesetzt war, und den damit verbundenen, aufge- zwungenen Neuanfängen, die auch sein weiteres Leben undWerk charakterisierten und prägten. Das blaue Tier auf dem Wagen erinnert an die späteren Darstellungen des «mystischen Tieres», das in ChagallsWerken für die Kreativität und Inspiration steht. Die hier angeboteneGouache ist ein wichtiges Frühwerk, das Chagalls grossartige Narration und die unvergleichliche Technik und Kom- positionsweise sehr eindrücklich aufzeigt. * 34 Marc Chagall Witebsk 1887–1985 Saint-Paul-de-Vence Esquisse pour «Le marchand de bestiaux»
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