Auction 270 : Old Master Prints and Drawings 14.06.2019

Die vorliegende Folge ist seit der Publikation im Jahre 1511 in dieser Form sicherlich zusammengeblieben, sie weist auf 10 Blättern die von Meder für die Textausgabe von 1511 gewünschten Wasserzeichen auf, Meder Wz. 127 und 259, siehe detaillierte Liste Dürer begann die Arbeiten für seine Folge «Das Marienleben» wahrscheinlich im Jahr 1502, die ersten Holzschnitte werden mit «1502» datiert. Das Titelblatt dürfte kurz vor 1511 im Hinblick auf die geplante Buchpublikation entstanden sein. 17 der Blätter waren im Jahr 1505 vollendet. Dürer nahm Probedrucke mit auf seine Reise nach Venedig, wodurch sie dem damals in Bologna ansässigen Marc Antonio Raimondi zugänglich wurden, der im Jahr 1505 ebenfalls nach Venedig reiste. Raimondi kopierte die 17 Blatt in Kupferstich. Die Entstehung der Blätter fällt in die Zeitspanne, in der sich Dürer intensiv mit der Lehre der Perspektive auseinandersetzte, was sich in mehreren Dar- stellungen niederschlägt. «Das Marienleben» wird allgemein als die reifste Schöpfung im Rahmen der Holzschnitte betrachtet Eine Schilderung über das Leben der Maria, der Mutter Jesu, kommt in der Bibel nur sehr peripher vor, genaue Angaben fehlen dort. Dürer griff auf Texte zurück, die in den «Apokryphen zum Neuen Testament» enthalten sind. Für uns wesentlich ist das «Protevangelium des Jakobus», ein Text, der dem Jünger Jakobus zugeschrieben wird. Der Text beschränkt sich auf die Darstellung des Lebens der Maria, ihrer Herkunft, die Geburt Christi, die Geschichte der Weisen aus dem Morgenland, den Kindermord von Bethlehem und das Martyrium des Zacharias, des Vaters von Johannes, im Zusam- menhang mit dem Kindermord von Bethlehem. Aufbauend auf dem erwähnten «Protevangelium» hatte dann Jakobus de Voragine in seiner «Legenda aurea» die Geschichte weiter ausgebaut und in den ersten Kapiteln seines Werkes beschrieben, bevor er zu der Lebensgeschichte und den Martyrien zahlreicher Heiliger überging. Dort findet sich im Kapitel «Von der Erscheinung des Herrn» auch die Angabe, dass die drei Könige aus dem Morgenland 13 Tage nach der Geburt in Bethlehem eingetrof- fen seien, wodurch der Tag der Heiligen Drei Könige auf den 6. Januar festgelegt wurde. – Dürer wählte für seine Holzschnitte lateinische Texte. Er nahm als Textdichter Benedikt Schwalbe, einen gelehrten Mönch im Nürnberger Schottenkloster St. Egidien, das in der Zeitspanne nach 1500 ein Mittelpunkt des Humanismus war, und der der Mode der Zeit entsprechend seinen Namen in «Benedictus Chelidonius» latinisiert hatte. – Chelidonius schuf lateinische Gedichte in klassischem Versmass, nicht ohne Entlehnungen aus damals populär gewesenen ähnlichen Dichtungen humanistischer Autoren. Chelidonius hat korrekt auf seine Quellen hingewiesen, man findet in den Texten abgekürzt vermerkt, von welchem Autor die entsprechenden Stellen stammen. In den Texten überrascht das Vorkommen von Zeus, von Cerberus, von Minos und anderen Gestalten der antiken Mythologie. Das war eine Konzession an die Mode der Zeit. Chelidonius wird im Text der Titelseite erwähnt: «… cum versibus annexis Chelidonii»

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