Galerie Kornfeld 100 Jahre in Bern, 2020
7 Die Lagerkataloge erschienen nun in grösseren Intervallen, dafür wurden im Frühjahr und im Herbst Auktionskataloge in die ganze Welt verschickt. Nach der Sammlung Steinwachs kamen als erster Höhepunkt grosse Teile der Sammlung von Heinrich Stinnes aus Köln zur Auktion, ein Bestand, der in Deutschland wegen der national- sozialistischen Kampagne «Entartete Kunst» nicht mehr angeboten werden durfte. Im Jahre 1933 hatte Ernst Ludwig Kirchner in enger Zusammenarbeit mit Max Hugg- ler seine reich gestaltete Ausstellung in der Kunsthalle Bern vorbereitet. In der Kunst- halle wurden Ölbilder, Skulpturen, Aquarelle und Zeichnungen gezeigt, die Ausstellung der Graphik fand bei Klipstein an der Amthausgasse statt und wurde im gleichen, von E.L. Kirchner graphisch gestalteten, Katalog integriert. Die guten Beziehungen zwischen August Klipstein und Ernst Ludwig Kirchner blieben bis zu Kirchners Freitod im Juni 1938 bestehen. In späteren Jahren, vor allem nach 1951, ist unser Haus zu einem Zentrum der Kirchner-Forschung geworden, stets mit grossem Angebot aus dem Lager oder an Auktionen. In die Jahre 1934 bis zum Kriegsbeginn 1939 fallen August Klipsteins intensive Kon- takte mit der in Berlin lebenden Künstlerin Käthe Kollwitz, die ab 1937 sehr unter der Kampagne «Entartete Kunst» zu leiden hatte. August Klipstein arbeitete bis zu seinem Tode an einem Werkverzeichnis der Graphik der Künstlerin, das erst posthum nach der Endredaktion von Frida Schuh, E.W. Kornfeld und Hans Bolliger publiziert werden konnte. Im bereits spannungsgeladenen Sommer 1939 erschien der schmale aber inhaltsrei- che Katalog einer französischen Altmeistersammlung. Zum letzten Mal vor Kriegs- ausbruch sassen Anfang September 1939 Freunde der Graphik aus aller Welt am Hufeisentisch zusammen. Dann fiel der Vorhang. Bis November 1941 blieben noch einzelne Kontakte mit den USA möglich, ab dann waren die geschäftlichen Möglich- keiten einzig auf die Schweiz beschränkt. Schweizer Kunst des 17. bis 19. Jahrhunderts spielte eine grosse Rolle, das Domizil der Firma musste in der Folge in kleinere Räume an die Thunstrasse 7 verlegt worden. 1944 bot sich die Möglichkeit, in die schöne Villa «Villette» an der Laupenstrasse 49 einzuziehen. Im Parterre wurden zwei grosse Zimmer zusammengelegt und so ein hauseigener «Auktionssaal» eingerichtet. Nach ersten Kontakten in den Jahren ab 1939 trat Eberhard W. Kornfeld im Januar 1945 als Volontär in die Firma ein, mit der Möglichkeit im Sommer an Kupferstich kabinetten wichtiger graphischer Sammlungen zu arbeiten. Dies tat er erst in Basel, ab 1946 in Paris, 1948 in London und in Amsterdam, später an der Albertina in Wien. Im Frühjahr 1948 war die Volontariatszeit vorbei, und mit einer kleinen finanziellen Beteiligung erfolgte zu Ostern 1948 die Aufnahme als «Minipartner» von August Klipstein. Im Juni 1949 fand die Auktion mit Handzeichnungen der aus Belgien stam- menden Sammlung von Maurice Delacre statt. Das Manuskript des Kataloges stammte von Eberhard W. Kornfeld, es war sein erstes «Gesellenstück». Der unerwartete Tod von August Klipstein in den ersten Apriltagen 1951 war ein grosser Schock, das Ausscheiden einer solch markanten Persönlichkeit nur schwer zu überwinden. Aber man entschied sich fürs Weitermachen: Frida Schuh, die
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NTQ4OTU=